Von Christian Fritz, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Das Ende der fiktiven Mängelbeseitigungskosten

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Der Paukenschlag

Zu Beginn des Jahres 2018 hat der Bundesgerichtshof eine Entscheidung getroffen, die die Welt der mit Baurecht befassten Juristen und Personen schwer erschütterte. 

Es handelte sich dabei keineswegs um eine bloße Einzelfallentscheidung. Denn bis heute hat der Bundesgerichtshof in mehreren weiteren Entscheidungen seine geänderte Rechtsauffassung bestätigt und gefestigt.

Mängelbeseitigungskosten nach alter Rechtslage

Der Auftraggeber eines Bauvertrages, der von seinem Auftragnehmer ein mangelhaftes Werk erhält, kann in aller Regel die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche geltend machen. Zu denken ist dabei insbesondere an Nacherfüllung, Ersatzvornahme, Rücktritt, Minderung und Geltendmachung von Schadensersatz, soweit die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Dies gilt sowohl für die alte als auch die neue Rechtslage.

Entschied sich der Auftraggeber unter der alten Rechtslage für die Geltendmachung von Schadensersatz, so konnte er nach der bisherigen jahrzehntelangen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seinen Anspruch nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend machen, wenn er den Mangel nicht beseitigte. Das heißt, er konnte von dem Auftragnehmer denjenigen Geldbetrag fordern, der theoretisch für die Beseitigung des vorhandenen Mangels anfallen würde. Auf eine tatsächliche Beseitigung des Mangels kam es nicht an. Regelmäßig erfolgte die Bezifferung dieses Geldbetrages durch Sachverständigengutachten oder Angebote von Fachfirmen.

Mängelbeseitigungskosten nach neuer Rechtslage

Im Februar 2018 machte der Bundesgerichtshof Schluss mit dieser Rechtslage (BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR46/17), die er selbst zuvor jahrzehntelang vertrat. Seither kann ein Auftraggeber seinen Anspruch auf Schadensersatz nicht mehr nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend machen. Will er das Werk behalten und den Mangel nicht beseitigen, so ist der Schaden in der Weise zu bemessen, dass der Auftraggeber im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Diese Differenz stellt schließlich den Schaden des Auftraggebers dar, den er im Rahmen seines Schadensersatzanspruches geltend machen kann. Diese Rechtsauffassung hat der Bundesgerichtshof in weiteren Entscheidungen mehrfach bestätigt (z.B. BGH, Urteil vom 21.06.2018 – VII ZR 173/16; BGH, Urteil vom 08.11.2018 – VII ZR 100/16 und BGH, Urteil vom 06.12.2018 – VII ZR 71/15).

Die Folgen für die Berechnung des Schadenshöhe sind in der Praxis gravierend. Bei einem Einfamilienhaus beispielsweise müsste der Auftraggeber, der Schadensersatz geltend machen möchte, im Falle eines gerichtlichen Rechtsstreits darlegen und beweisen, wie hoch der Wert seines Hauses ohne Mangel wäre und wie hoch der Wert mit Mängeln ist. Ein solcher Nachweis ließe sich nur mit einem Wertgutachten für Gebäude führen. Die Kosten solcher Gutachten sind hoch, nicht selten im vier- bis fünfstelligen Eurobereich. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus dem derzeitigen Immobilienmarkt. In Gebieten mit extrem starker Nachfrage nach Immobilien sind potenzielle Käufer häufig bereit über diverse Mängel hinwegzusehen. Ein Schaden wäre dann gar nicht vorhanden. Umgekehrt gilt dies natürlich ebenso. Bei einem Überangebot von Immobilien könnte die Bezifferung des Schadens deutlich höher ausfallen.

Der dogmatische Hintergrund

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs kam überraschend. Bei genauerer Betrachtung ist es jedoch weitaus überraschender, dass die Änderung der Rechtsprechung nicht schon viel früher kam, stand doch die alte Rechtsprechung in deutlichem Widerspruch zum Gesetz. Die aktuelle Schadensberechnung mit dem Vergleich zweier Vermögenslagen entspricht nämlich der grundlegenden Schadensberechnung des BGBs nach der Differenzhypothese. Diese geht zurück auf Friedrich Mommsen, der den Begriff 1855 eingeführt hatte. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen zwei Vermögenslagen: der tatsächlich durch das Schadensereignis geschaffenen und der unter Ausschaltung dieses Ereignisses gedachten. 

Konsequenzen über das Baurecht hinaus

Nicht nur im Baurecht erfolgte vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.02.2018 die Berechnung eines Schadens nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten (z.B. auch bei Kfz-Schäden). Die ersten Instanzgerichte greifen die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus dem Baurecht auf und wenden sie auch in anderen Rechtsgebieten an. Dies ist nur konsequent und dogmatisch richtig. Denn der Bundesgerichtshof stützt die Änderung seiner Rechtsprechung eben nicht auf spezielle Vorschriften des Baurechts, sondern auf allgemeine Vorschriften des Schadensersatzrechts, das für sämtliche Rechtsgebiete gilt. Es kann deshalb in Zukunft mit weiteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in anderen Rechtsgebieten gerechnet werden. Allerdings sind diese dann weitaus weniger überraschend. 

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