Dipl.-Kfm. Margret Schäfer, Steuerberaterin
Die Anzahl der Einzelpraxen in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren rückläufig. Immer mehr Ärzte entschließen sich für die gemeinsame Berufsausübung mit Kollegen in größeren Praxisstrukturen. Bei den Hausärzten ist der Rückgang der Einzelpraxen am stärksten. Neben Gemeinschaftspraxen nehmen die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) seit ihrer Einführung im Jahr 2004 stark zu.
Annähernd die Hälfte der bayerischen Ärzte ist heute in Berufsausübungsgemeinschaften oder medizinischen Versorgungszentren tätig. Hierbei ist die Anzahl der Anstellungen, vor allem in den medizinischen Versorgungszentren, sehr stark angestiegen. Einer zunehmend älter werdenden Ärzteschaft steht ein steigender Versorgungsbedarf durch eine immer älter werdende Bevölkerung mit zunehmendem Anspruch an eine gute gesundheitliche Versorgung gegenüber. Die gesellschaftlichen Bedürfnisse der jungen Ärztegeneration, wie der verstärkte Fokus auf eine Work-Life- Balance und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auch vor dem Hintergrund eines zunehmenden Anteils an Medizinerinnen, erfordern Veränderungen in der Struktur der medizinischen Versorgung. Gerade im ländlichen Raum kommt diesen Kriterien aufgrund des Ärztemangels eine noch größere Bedeutung zu. Der immer stärkere Kostendruck im Gesundheitswesen begünstigt ebenfalls kostensparende Zusammenschlüsse von Ärzten.
Vor diesem Hintergrund stellt sich das MVZ als interessante alternative Praxisstruktur dar, sowohl für Berufsausübungsgemeinschaften als auch für Einzelpraxen mit angestellten Ärzten. Mit dem 2015 in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wurden die Rahmenbedingungen in der vertragsärztlichen Versorgung flexibler gestaltet. Es ist keine fachübergreifende ärztliche Tätigkeit mehr erforderlich, z. B. ist jetzt ein rein hausärztliches MVZ möglich. Auch „Mini“-MVZ mit nur einem Vertragsarztsitz sind nun zugelassen, ebenso wie Kommunen als Träger eines MVZ. Dies ist interessant, wenn sich im ländlichen Bereich keine Nachfolger für eine Praxis finden lassen.
Vorteile:
Das MVZ ermöglicht eine Berufsausübung im Angestelltenverhältnis. Damit sind flexiblere Beschäftigungsmodelle möglich, welche die Vereinbarkeit von Beruf, Freizeit und Familie erleichtern. Flexiblere Übertragungs- und Beteiligungsmodelle sowie die kontinuierliche Nachbesetzung einer Arztstelle erhöhen die Attraktivität eines MVZ. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Kontinuität der Bezeichnung des MVZ auch bei einem Wechsel der Ärzte. Für im Wachstum befindliche Praxen gibt es, im Gegensatz zur Einzelpraxis, abgesehen von Zulassungsbeschränkungen keine zahlenmäßige Beschränkung bei Anstellungsgenehmigungen und Filialbildungen. Diese Aspekte spielen auch im Hinblick auf die Suche nach einem Praxisnachfolger eine große Rolle. Für den abgebenden Arzt ist die Alterssicherung durch eine sinnvolle Verwertung der Praxis – trotz der Verschärfung des Nachbesetzungsverfahrens – möglich. Daneben ermöglicht die Organisationsstruktur eines MVZ Kosteneinsparungen und Synergie-Effekte, ein professionelles Management und effektives Marketing. Von Vorteil ist auch die Möglichkeit der gegenseitigen Kompensation bei Budgetüberschreitungen sowie die Beschäftigung überweisungsgebundener Arztgruppen.
Nachteile:
Nachteile eines MVZ gegenüber der Einzelpraxis sind, dass ein größerer Patientenstamm und damit ein größeres Einzugsgebiet notwendig sind. Ein MVZ ist mit höherem Verwaltungsaufwand verbunden. Seine Struktur erschwert eventuell eine Identifikation der angestellten Ärzte mit dem MVZ. Auch Patienten empfinden das MVZ als unpersönlicher. Es besteht die Gefahr kollegialer und zwischenmenschlicher Konflikte. Diese treten häufig auf, wenn ein Arzt seine Einzelpraxis in ein MVZ einbringt oder veräußert und in Folge als Angestellter im MVZ praktiziert.
Steuerliche Auswirkung
Es existieren für das MVZ keine rechtsformneutralen steuerlichen Regelungen. Damit läuft die grundsätzliche Entscheidung in der Regel darauf hinaus, ob eine Personengesellschaft in Form einer GbR oder PartG gegründet werden soll oder eine juristische Person in Form einer GmbH. Entsprechend ergeben sich für die Personengesellschaft und die Kapitalgesellschaft unterschiedliche Besteuerungskonzepte.
Das MVZ als Personengesellschaft ist kein eigenes Steuerrechtssubjekt. Im Ergebnis unterliegt der einzelne Gesellschafter mit seinem anteiligen Gewinn der Einkommensteuer. Ein MVZ in Form einer Personengesellschaft ist dann nicht gewerblich tätig und unterliegt somit nicht der Gewerbesteuer, wenn der Arzt bei Angestellten oder freien Mitarbeitern sicherstellt, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Ansonsten werden die gesamten Einkünfte als gewerblich qualifiziert.
Dagegen unterliegt das Medizinische Versorgungszentrum in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft der Körperschaftsteuer mit einem derzeitigen Satz von 15 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag. Wird der Gewinn der Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter ausgeschüttet, so sind 60 Prozent der Gewinnausschüttung mit dem persönlichen Steuersatz zuzüglich Solidaritätszuschlag beim Gesellschafter zu versteuern. Das Einkommen als Angestellter des MVZ wird als Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit mit dem persönlichen Steuersatz versteuert. Im MVZ mindern diese Personalaufwendungen den Gewinn. Zusätzlich ist ein MVZ in Form einer Kapitalgesellschaft immer gewerbesteuerpflichtig.
Der Vorteil der Haftungsbeschränkung der GmbH läuft aufgrund der Vorschrift, dass eine selbstschuldnerische Bürgschaft abgegeben werden muss, weitgehend ins Leere. Nachteilig sind die weiterreichenden gesetzlichen Vorschriften des HGB und des GmbHG, der die GmbH unterliegt. Dazu zählen u. a. die Bilanzierungspflicht statt der Verpflichtung zur Aufstellung einer einfacheren Einnahme-Überschussrechnung sowie die Offenlegungspflicht des festgestellten Jahresabschlusses im öffentlich einsehbaren Bundesanzeiger.
Vorteile kann die GmbH hinsichtlich der wirtschaftlichen Verwertung im Rahmen eines Verkaufs bieten. Die Anteile lassen sich in frei verhandelbarer Höhe an einen Nachfolger übertragen. Auch eine Übertragung an ein Krankenhaus ist unproblematisch möglich.
Die MVZ-Gründung und Aufnahme von Gesellschaftern kann so erfolgen, dass die Praxis an das MVZ verkauft und der bisherige Inhaber im MVZ angestellt wird. Gegenstand des Erwerbs ist in der Regel die gesamte Praxis. Der Kaufpreis für die Praxis stellt Anschaffungskosten für das MVZ da. Der die Buchwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter übersteigende Kaufpreis ist Entgelt für die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern und den Praxiswert. Der Veräußerungsgewinn unterliegt bei dem Veräußerer der Einkommensteuer. Ist der Praxisveräußerer über 55 Jahre alt oder dauernd berufsunfähig, so stehen ihm der Freibetrag nach §16 Abs. 4 EStG und die Steuerbegünstigung nach § 34 EStG zu. Diese Vergünstigung ist auch dann zu gewähren, wenn der bisherige Praxisinhaber als Angestellter Arzt im MVZ verbleibt.
Erfolgt die Praxis-Übertragung in Form der Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, entspricht dies einer Veräußerung, wenn der einbringende Arzt eine Gegenleistung erhält. Besteht die Gegenleistung nur in Gesellschaftsrechten, so können die eingebrachten Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert fortgeführt werden, d. h. die stillen Reserven und der Praxiswert werden nicht versteuert. Wird ein weiteres Entgelt gezahlt, entfällt die Möglichkeit der Buchwertfortführung.