Von Stephanie Bauer, Fachanwältin für Strafrecht
Das Jugendstrafrecht

Otto Heubner, ein Pionier der Pädiatrie, hat für die zukünftigen Mediziner-Generationen den Satz geprägt: "Kinder sind andere Objekte als kleine Erwachsene."

Auch das Jugendstrafrecht als Sonderstrafrecht trägt seit fast 100 Jahren dem Umstand Rechnung, dass in der Übergangszeit zwischen Kindes- und Erwachsenenalter biologische und soziologische Entwicklungen noch nicht abgeschlossen sind. Besorgte Eltern mögen sich daran erinnern, dass auch sie im Alter ihrer Sprösslinge den Wunsch verspürt haben, Grenzen auszutesten, und sich selbst heftige Sturm-und Drangphasen spätestens mit dem Eintritt ins Berufsleben "verwachsen" haben - meistens zumindest.

Sowohl hinsichtlich des Verfahrensgangs als auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Sanktionen wird sichergestellt, dass Erziehungs- und Resozialisierungs-Gesichtspunkte Vorrang vor dem Strafgedanken haben. Auf heranwachsende Spätentwickler bis zum 20. Lebensjahr wird deshalb trotz zivilrechtlicher Volljährigkeit das Jugendstrafrecht angewendet, wenn sie zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstanden oder es sich bei der Art der Tat um eine typische Jugendverfehlung handelt.

Statt der Hauptsanktionen im Erwachsenenstrafrecht (Geld- und Freiheitsstrafe) offeriert das flexiblere Jugendstrafrecht für jugendliche Delinquenten eine nahezu unbegrenzte Bandbreite an rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten, die auf deren individuellen Defizite zugeschnitten werden.

  • informelle Maßnahmen bei Bagatelldelikten - ohne dass die Staatsanwaltschaft ein Hauptverfahren eröffnet (Diversion)
  • Erziehungsmaßregeln, beispielsweise die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs oder eines sozialen Trainingskurses, die Aufnahme einer Ausbildungsstelle oder einer Betreuungs- oder Abstinenzweisung.
  • Sogenannte Zuchtmittel, wie Sozialstunden bei gemeinnützigen Organisationen, Schadenswiedergutmachung oder Jugendarrest in einer Jugendarrestanstalt (als letzte Warnung vor einer "echten" Haftstrafe)


Die einzige Kriminalsanktion stellt die Jugendstrafe dar. Sie ist zu verhängen, wenn wegen der in der Tat hervorgetretenen schädlichen Neigungen des Jugendlichen weder Erziehungsmaßregeln noch Zuchtmittel ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld eine stationäre Gesamterziehung in einer Jugendstrafanstalt erforderlich ist.

Für den Anwalt ergeben sich aber schon im Vorfeld der Hauptverhandlung viele Möglichkeiten, mit dem Jugendlichen eine Zukunftsperspektive zu erarbeiten und durch den Dialog mit Jugendgerichtshilfe, Jugendstaatsanwalt und dem Jugendrichter den Weg für eine konstruktive Maßnahme zu ebnen.

Gemeinsam mit dem Jugendlichen sollte zu einem möglichst frühen Zeitpunkt eine Strategie entworfen werden, um dem Gericht positive Entwicklungsansätze deutlich zu machen. Insbesondere im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts finden sich viele Ansätze für den Verteidiger, die Interessen des Jugendlichen engagiert zu vertreten ohne dessen weitere Entwicklung und Zukunftsperspektiven aus den Augen zu verlieren. Die Einbindung der Eltern, die den Anwalt meist auch "sponsern" - ist für den Verfahrensverlauf natürlich von großer Bedeutung, Einzeltermine mit dem Jugendlichen sind aber dennoch unumgänglich, insbesondere um das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und dem eigentlichen Klienten zu stärken.



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